Tag 16 – Von Tarbert nach Carloway
Am letzten Tag unserer Radtour auf Island wären wir beinahe vom Wind aus dem Sattel geblasen worden. Viele RadlerInnen erzählen noch heute voll Ehrfurcht von diesem Tag. Dass es jemals hätte schlimmer kommen können: unvorstellbar. Bis heute. Aber der Reihe nach. Unser Frühstück „zooog“ sich. Wir kamen im leichten Regen erst kurz nach 9 Uhr los und es ging gleich mal bergan (zweistellig). Nach drei Kilometern blieben wir auf der kleinen Nebenstraße und fuhren langsam weiter steil bergan. Das Display meines Garmin war kaum zu erkennen – die Landkarten liegen irgendwo beim Zoll (unser Dokumentenpäckchen, das eigentlich nach Broadford hätte kommen sollen, erreichte uns bis jetzt nicht) und so dauerte es einen guten Kilometer bis ich erkannte: „falsch“ – ein Schrei, ein Fluch, zurück. Wir (ich) hatte(n) die Abfahrt verpasst. Es regnete weiter. Rechts ab? Wirklich? Single Trail? – Kurze (aber heftige) Debatte. Das Team Vorsicht siegte. Also zurück nach Tarbert. Jetzt auf der Hauptstraße. Es regnete weiter. Umweg. Plus 15 Kilometer. Aus dem Wind wurde ein Sturm. Kurze Pause. Unterstellen – aber wo? Ein paar Häuser. Bewohnt, aber keiner öffnete uns. Also versuchen wir es. Fahren ging nicht. Schieben. Ein paar Meter. Carmen, Willi und ich waren hinten. Voran kamen wir nicht mehr. Wir stemmten uns gegen unsere Räder. Solche Momente bringen einen nicht nur körperlich an die Grenze – auch mental. Die anderen Radler schafften es nach oben. Steens (bei der Tour nach Tallinn) Rabat (in Marokko) sind für mich Orte, an denen ich bemerkte, dass man auch Grenzen akzeptieren muss Tarbert zählt jetzt dazu. Wir fuhren ein paar Meter zurück. Ein Laden in dem es (fast) alles gab.
Auch Hilfe. Das mit dem Linienbus ging daneben, aber ein Taxi mit abenteuerlichem Fahrradträger war unsere Rettung. Die Vormittagsetappe unternahmen wir auf vier, statt auf zwei Rädern. Die Hardcorefahrer hatten es geschafft dem Sturm zu trotzen, der sich später in einen tollen Schiebewind wandelte. Kurz vor 14 Uhr waren wir alle wieder zusammen. Die „Standing Stones von Callanish wollten wir unbedingt sehen. 15% Steigung zeigt das Schild auf dem Weg dorthin. Mein Handy klingelt. Mein Sohn. Er sucht den Busschlüssel. Ich habe ihn in Schottland dabei (für die Rückfahrt). Durch die Zeit reisen klappt nicht.
Weder mit dem Schlüssel, noch mit uns. Ja, wir sind noch da – die Kraft der Steine hat uns nicht zweihundertfünfzig Jahre zurück in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg versetzt. Was wir auch schafften – das Mittagessen bei den Alpakas, auch wenn wir als letzte Gäste schon stark in den Aufräumprozess involviert waren. Kuriose Begebenheit am Rande: gut 30 deutsche Touristen auf E-Bikes, alle mit gelber Warnweste tauchten plötzlich auf. Des Rätsels Lösung: ein Landgang von „Mein Schiff“, das in Stornoway vor Anker lag. Wir sollten weiter. Jetzt gemeinsam. Ziel: „Gearrannan Blackhouse Village“. Wir zeigten unseren Explorer Pass, nur der hat hier keine Gültigkeit. Also nachzahlen. Freitag der Dreizehnte. Jetzt zum Hotel. Fahrräder stehen trocken in der Garage. Unsere Wäsche ist in der Maschine und wir freuen uns auf das Abendessen. Hoffentlich gehen die nächsten Stunden ohne weitere Hiobsbotschaften zu Ende.
Tourdaten: 35 (92) km, 2.34 (5.17) Stunden im Sattel, 13,7 (18,4) km Durchschnitt, 49,7 km maximal, 499 (1240) Höhenmeter, Höchster Punkt 86 Meter
14. Juni 2025 um 08:16
Sommer in der Mainspitze: > 15 h Sonnenschein täglich, > 30°C Tagestemperatur und nachts ‚tropische‘ Nächte. Möchte man sich sich da Sturm, Regen, zweistellige % sowie Menschen und Material Härtetests mit dem Rad vorstellen ? NEIN. Trotzdem denken wir an Euch alle …