Gibt es eigentlich ein anderes Leben, als das auf dem Fahrradsattel oder auch das aus der der gleichnamigen Tasche? Jeden Tag ein anders Bett, ein neues Hotel und nur die Frage, ob es abends „Lamm“ oder „Fisch“ gibt. Nach fast vier Wochen mit den Euroradlern glaubt man das eigentlich schon nicht mehr – wären da nicht die telefonischen Kontakte mit dem Büro, der Blick in die Onlineausgaben der lokalen Zeitungen oder ab und an mal die ersten Takte der „Schalker Hymne“ (meinem Handyklingelton) die einem klar machen: ja – es gibt noch ein „zweites“ Leben. Am kommenden Montag ist es wieder soweit: Kreistag ist angesagt – aber der ist in Island noch ganz weit weg. Wenn man bedenkt, dass auf der ganzen Insel nicht viel mehr Menschen leben, als in unserem Kreis Groß-Gerau. Auf den langen Passagen der Ringstraße hat man Zeit über diese Fragen nachzudenken, schließlich sind die einzigen Orientierungs- und Planungspunkte die Einmündungen der kleineren Straßen – und die sind äußerst selten. Zwischen Myvatn und Skjöldolfsstadir gibt es keinen Ort, keine Tankstelle, keinen Campingplatz – nur Natur. Also mussten wir unsere Mittagsrast auf ein paar Steinen am Wegesrand verbringen. Sie fiel kurz aus. Schuld daran waren nicht unbedingt die harten Steine, sondern die Mücken. Die wollten nicht an unseren Käse, nicht an unsere Salami, unser Brot oder an unsere Äpfel, sondern nur an uns. Also: auspacken, essen, einpacken. Nach einer halben Stunde ging es weiter.
Und dann war er wieder da: der Wind. Ich versuchte es für ein paar Kilometer. Aber die Natur war dann doch stärker. Stephan und Alf spannten sich vorne davor, wir fuhren versetzt, versuchten uns gegenseitig so gut es ging Windschatten zu geben. Na ja – so mancher kam über die Rolle des „Lutschers“ nicht hinaus, aber auch das ist an solchen Tagen normal. „Was habe ich nur für eine Zeit vergeudet, als ich noch nicht mit den Euroradlern auf Tour gegangen bin“ resümierte trotz der widrigen Umstände Jochen B. aus G, der in den kommenden zehn Jahren unbedingt noch dabei sein möchte. Unser zweitältester Radler wird nur noch von Nico getoppt, der an diesem windigen Nachmittag „einmal die Schnauze voll hatte“ und selbst gegen den Wind als Zugmaschine arbeitete – und das mit … (nein, das Alter verrate ich jetzt nicht). Was den Radlern die Kraft verleiht Tag für Tag über hundert Kilometer zu fahren, jeden Morgen um ½ 7 aufzustehen und trotzdem einfach weiter machen zu wollen, bleibt ihr (unser) Geheimnis. In diesem Jahr ist es bestimmt auch der isländische Hotpot, in dem wir abends unsere Gelenke wieder geschmeidig machen können. Heute haben wir es trotz Gegenwind (manche sprechen von Sturm) so frühzeitig geschafft im Hotel anzukommen, dass wir um kurz nach ½ 5 unseren Nachmittagskaffee dort trinken konnten. Ankommen, begrüßen, fragen, einschenken, hinsetzen, trinken – das alles in drei Minuten. Als die letzten in der Gruppe ihr Rad abstellten, konnten die ersten schon genießen. Ja – und dann ging es ab in den Hotpot. Die Frage „Fisch oder Lamm“ beschäftigt am heutigen Abend Karsten und Caroline nicht mehr – sie sind schon auf dem Flug nach Reykjavik und weiter nach Deutschland. Schade – gerne hätten wir eure Räder nicht verpackt sondern für die morgige Tour fertig gemacht.