17. Juni 2025
von Thomas Will
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Geschafft

Tag 20 – Von Bettyhill nach Harry Loch

Wir sind da. Punktgenau um 16.30 rollten wir am Merkister Hotel ein. Geschafft. Nach mehr als 1.700 Kilometern sind wir mitten im Meer – dort wo Nordsee und Atlantik zusammenkommen. Angefangen hat unser Tag ein paar Stunden früher: in Bettyhill. Und wie das bei Fährtagen so ist, man spürt immer eine gewisse Nervosität, denn die Abhängigkeit vom Fahrplan ist immer gegeben – oder um es kurz zu machen: Fähren warten nicht. Also galt die Devise: Start um 8.30 Uhr – aber pünktlich. Natürlich gibt es von jeder Regel eine Ausnahme. Christian und Tobi konnten es entweder nicht erwarten oder die Etappe war ihnen einfach zu kurz. Kurzum, sie brachen schon im 5 Uhr auf (es war ja hell und es gab ein Lunchpaket) um vorher noch zu dem Leuchtturm am nördlichsten Ende des Festlandes zu radeln. Die „Regelfrühstücker“ hatten am Abend vorher versucht den Beginn des „Scottish Breakfast“ auf 7 Uhr vorzuverlegen – es wurde ein Kompromiss – 7.30 Uhr. Noch nieselte es am frühen Dienstag. Als ich aber um kurz nach 7 Uhr den Fahrradcontainer öffnen wollte, bekam ich die Information, dass wir schon zum Frühstück kommen können. Und das Gespräch konnten wir auf Deutsch führen. Warum? Die Hotelbesitzerin stammt aus Rheda-Wiedenbrück und so konnten wir uns perfekt über unsere Tour unterhalten. Die Frühstückszeit wurde dann (entgegen der Erwartungen) richtig entspannend und nach dem obligatorischen Startfoto ging es zwei Minuten vor halb neun los. Kurze Gefälle und dann gleich mal nach oben. Die Regenwolken kämpfen mit der Sonne, machten uns aber – bis auf ein paar Spritzer – keine Probleme. Was soll ich sagen: alle Gedanken nach dem Zeitplan waren überflüssig. Wir waren eine Stunde vor dem check in Termin im Hafen. Alf und Kiki waren auch wieder gekommen. Nach ein paar individuellen Tagen fahren sie jetzt auf der Insel wieder mit uns. Noch ein Tee, dann auf auf`s Schiff. Radler haben Vorrang. Hier können sich andere Fährgesellschaften durchaus eine Scheibe abschneiden. Dass das Meer hier oben ein wenig unruhig sein kann, bemerkten wir beim Mittagessen. Um 15 Uhr war es dann soweit. Wir rollten auf die Hauptinsel. Die Sonne strahlte. Wir auch. Eine erste Besichtigung und dann waren wir da. Aber nicht so einfach in die Zimmer. Zuerst einmal das Abendessen ordern. Aus fünf Vorspeisen und acht Hauptgängen auswählen. Aber nicht einfach mit Strichliste, sondern mit Namenszuordnung. Man kennt wohl seine Gäste. Unsere Tour ist aber noch nicht zu Ende. Jetzt wird die Insel erkundet. Morgen geht es in den Norden. Noch schnell das Mittagessen um eine Stunde verschieben. Die Teestube hat eigentlich Ruhetag und öffnet extra für die Euroradler. Und dann gibt es am Nachmitttag noch eine kleine Überraschung.

Tourdaten: 71km, 4.24 Stunden im Sattel, 16,3km Durchschnitt, 52,1km maximal, 775 Höhenmeter, Höchster Punkt 154 Meter

 

 

 

 

 

16. Juni 2025
von Thomas Will
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Was so alles nervt

Tag 19 – Von Durness nach Bettyhill

Morgens um 6.20 Uhr in der Jugendherberge: nach drei Tagen muss es auch mal wieder sein: rasieren. Was mir dabei einmal wieder bewusst wird: das mit dem Einhandmischer ist auf der Insel nicht so weit verbreitet. Links (ganz) heißes und rechts kaltes Wasser. Zwei kleine Hähne. Mischen geht nur im Becken – na ja. Beim eigentlichen Rasiervorgang noch ganz gut machbar, aber danach: beim Gesicht abwaschen. Ganz klar: Platz drei auf der „Was mich nervt Skala“. Hand in Hand produzieren wir unser Frühstück. Vom Vorabend gibt es noch ein wenig Käse zur Ergänzung. Abspühlen, aufräumen, packen und dann könnte es losgehen. Wir machen unser obligatorisches Starterbild. Und jetzt dürfte es dem Leser oder der Leserin auffallen: das sind zehn Menschen, aber irgendwie sieht Christian anders (besser?) aus. Ja, Jane – die wir am Vorabend aufgenommen haben, hat sich zu uns gesellt; später sollten wir sie bei der Mittagsrast noch einmal treffen. Und Henry ist dabei. Der junge Hund des „Herbergsvaters“ – der eigentlich eine Hündin ist. Wir radeln los. Nach gut fünf Kilometern kämpfen wir gegen den Wind. Arndt gibt Windschatten. Hin und wieder setzt leichter Regen ein. Der dürfte jetzt aber nicht da sein. Die Wetterapp sagt: Wolken, aber keinen Regen. Irgendwie stimmt die in Schottland seit dem ersten Tag nicht. Damit Platz zwei auf der „Was mich nervt Skala“. Kurz nach 12.30 Uhr erreichen wir unser Mittagessen. Wie (fast) immer Soup of the day. Wir sammeln Kraft und fahren auf der Route 500 weiter. Ein richtiger Fahrradring. Schon wieder haben wir bei der Mittagsrast über 700 Höhenmeter – auf gerade einmal 43 Kilometern. Wo soll das noch hinführen. Weiter geht es. Die Straßen werden schmal. Was auffällt ist der nicht enden wollende Verkehr, auch hier in der Einsamkeit Nordschottlands. Ich zähle einmal: „normale“ Fahrzeuge und Wohnmobile und komme zu dem (statistisch nicht belegbaren, aber gefühlt realen) Ergebnis: 60 Prozent aller Fahrzeuge sind solche (überdimensionierten) Wohnzimmer auf vier Rädern, die von Nichtschotten gesteuert werden. Eindeutig Platz eins auf der „Was mich nervt Skala“. Gegen ½ 4 sind wir alle in unserem Hotel. Hotel! Keine Jugendherberge. Wir organisieren unser Frühstück für Dienstag, denn wir sollten um 12.30 am Fährhafen sein und der ist 51 Kilometer entfernt und dazwischen liegen gut 600 Höhenmeter. Aber erst einmal gibt es einen Tee und ein paar Meter (zu Fuß) im Ort. Ort – na ja. Unser Hotel, ein kleiner Laden (der einzige im Umkreis von 35 Kilometern – wie uns der Besitzer stolz erzählt), und ein paar Häuser – weit verstreut.

Tourdaten: 65km, 4.54Stunden im Sattel, 13,6km Durchschnitt, 60,3km maximal, 1029Höhenmeter, Höchster Punkt 224 Meter

 

 

 

15. Juni 2025
von Thomas Will
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Die kleinen Erlebnisse bei der großen Tour

Tag 18 – Von Ullapool nach Durness

Ob es die berechneten Höhenmeter waren oder das nicht sichere Wetter oder die Länge der Strecke irgendwie war der Respekt spürbar und manchmal sogar greifbar. Schon am Abend davor wurden Pläne geschmiedet. Wir starteten in „drei Gruppen“ und machten uns auf den Weg in Richtung Norden. Christian hatte einen Teil meines Gepäcks übernommen. Das machte ihn nicht langsamer, mich aber „schneller“, denn bei den Höhenmetern bemerkt man jedes Kilo, das man zu viel am Fahrrad hat. Carmen und ich schraubten uns gemeinsam nach oben. Unterwegs bemerkten wir viele freundliche Menschen, die uns zuwinkten oder die uns schon mal irgendwo in den letzten Tagen gesehen hatten. Da war das Paar aus Sigmaringen, das mit seinem Auto gerade eine „Verwarnung“ bekommen hatte und uns eine schöne Tour wünschte. Beim Mittagessen trafen wir uns alle wieder. „Rock Stop Role“ – das Tor zum Geo-Naturpark versorgte uns mit Suppe und Toast und auch der ein oder anderen süßen Kleinigkeit. Überhaupt keine Kleinigkeit waren die Höhenmeter. Nach weniger als der Hälfte der Kilometer hatten wir schon 750 auf der Uhr stehen. Die letzten Sonnenstrahlen des Vormittages wechselten in Graupelregen am frühen Nachmittag und sorgten dafür, dass wir alle Regenkleidung anlegen mussten. Nach gut 75 Kilometern – wieder ging es bergan – kam eine Radfahrerin an uns vorbei. Ein kurzes Gespräch – sie zeltet eigentlich – und wir hatten einen Schlafgast mehr in unserer Jugendherberge. Jane stammt aus Bristol und radelt durch den Norden ihres Heimatlandes. Vor der letzten Abfahrt wurde es schlagartig heller. Die Sonne kam wieder heraus und wir rollten nach Durness. Ein kurzer Halt am kleinen Supermarkt. Noch ein wenig Brot und Käse für den Abend einkaufen – als Ergänzung für das Abendessen in unserer Jugendherberge. Und weil wir irgendwie „mitgenommen aussahen“ bekamen wir die letzten Croissants geschenkt. Noch einen Kilometer. In der Jugendherberge mussten schnell ein paar Zimmer getauscht werden, damit Jane „ihr“ Einzelzimmer bekommt – duschen, einrichten und Abendessen. Alles aus der Mikrowelle, aber lecker. Jetzt noch an Jupp denken: er hat heute Geburtstag. Wir gratulieren ihm per Videocall – er bedankt sich mit einer Runde Bier für uns. Und jetzt um 20.15 Uhr scheint hier die Sonne; hätte sie das doch mal am Nachmittag getan.

Tourdaten: 111km, 7.32 Stunden im Sattel, 15,2km Durchschnitt, 55,9km maximal, 1456 Höhenmeter, Höchster Punkt 258 Meter