4. Juni 2023
von Thomas Will
Kommentare deaktiviert für Herrliche Landschaften und bedrückende Geschichte

Herrliche Landschaften und bedrückende Geschichte

11. Tag – Rundfahrt auf Guernsey

Mit länger schlafen wird es dann nichts, wenn man abends vergisst den Vorhang zuzuziehen und die ersten Sonnenstrahlen schon kurz nach 5 Uhr andeuten, dass die Nacht zu Ende ist. Noch mal versuche ich die Augen zu schließen, aber gegen ½ 7 (ist ja eigentlich schon eine Stunde später) geht nichts mehr. Da das Frühstück erst ab 8 Uhr möglich ist, bleibt genügend Zeit für die Planung der heutigen Etappe. Frühstück: „full englisch breakfast“ – Eier, Blutwurst, Bohnen, Pilze, Tomate und die typisch englische Sausage. Einmal reicht aber auch; ein guter Grund das Mittagessen ausfallen zu lassen. Aus dem Kreis höre ich, dass die Operation bei Rudi gut verlaufen ist. Wir machen uns auf unsere Tour rund um die Insel. Entgegen dem Uhrzeigersinn geht es zuerst zu den Dolmen und danach zum Fort Doyle – dem nordöstlichsten Punkt der Insel. Weiter zu Rousse Tower und zum Sauarez Park. Wir wenden uns nach Westen und komme nach 30 Kilometern zum Fort Grey. Wer jetzt mein Lihou Island – auch bei Ebbe – mit dem Fahrrad erreichen zu können, wird ein paar Minuten später merken, dass es auch für den geübtesten Radler natürliche Grenzen gibt. Wir radeln weiter zur Südwestspitze und danach nördlich des Flughafens zur Little Chapel. Gut, dass die Touristenströme noch nicht überall sind. Tobi lädt uns zu einem Guernseyeis ein und dann radeln wir weiter zum „German Underground Hopital“. Ein weiteres Zeugnis für den Größenwahn der Nazis, hier auf der kleinen Insel. Eine halbe Stunde in den weitläufigen Stollen ist beklemmend. Munitionslager und (für drei Monate) Krankenhaus – welch ein Wahnsinn. Überhaupt, die Zeugen der deutschen Besatzung sind überall sichtbar, die Natur ist aber die zweifellos schönere Seite der Insel. Wir kommen zurück zum Hotel. Wir haben mal wirklich Zeit. Ich telefoniere mit Rudi. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut – morgen wollen wir mal sehen, wie der zurück nach Deutschland kommen kann. Heute Abend wollen wir im „La Perla“ essen – und da gibt es die Möglichkeit (hoffentlich) individuell zu wählen. Auch bei den Euroradler(innen) setzen sich nämlich die individuellen kulinarischen Vorlieben immer deutlicher durch. Vegetarisch ist überhaupt kein Thema. Aber bei den Vorspeisen beginnt es schon: Fisch „ja“, aber nur gekocht und gebacken – und beim Dessert endet es: „auf keinen Fall Käse“. Essen wird so individuell wie der eingefahrene Fahrradsattel.

Tagesdaten: 51 Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 3.30 Stunden, Durchschnitt 14,7km, Maximale Geschwindigkeit 42,9km, 556 Höhenmeter, höchster Punkt: 102 Meter, Maximale Steigung 14%

 

 

 

 

 

 

 

3. Juni 2023
von Thomas Will
1 Kommentar

Die schnelle Fahrt nach St. Malo

10. Tag – Saint Georges des Grehaigne – St. Peter Port

5.50 Uhr – noch ein wenig früher als sonst machten wir uns aus den Federn (ist das eigentlich Urlaub?), denn die Fähre in Le Havre wird nicht auf uns warten. Das übliche Morgenprogramm. Taschen packen und ab zum Frühstück. 6.45 Uhr in der Normandie. Das letzte französische Frühstück – der übliche Stau am Kaffeeautomaten. Es ist nicht so kalt wie gestern und das Hotel (das ich gestern noch kritisiert habe) zeigt sich kulant. Rudis Zimmer wird anstandslos storniert. 7.35 Uhr. Mein Handy klingelt. Rudi ist dran. Er wartet auf den heutigen OP-Termin und ist guter Dinge. Ich berichte ihm, dass wir sein Handyladekabel gefunden haben und es ihm heute per Express in Krankenaus schicken. Er bedankt sich, teilt uns aber freudig mit, dass eine freundliche Krankenschwester ihm schon eines besorgt habe. Gut, dass wir gestern Abend nicht einer spontanen Idee gefolgt sind und die 140 Kilometer (mit dem Auto) zu ihm gefahren sind. Es wird 8 Uhr. Wir starten pünktlich. Mit jedem Kilometer werden wir schneller. Um 10 Uhr sind wir in St. Malo. Über 40 Kilometer. Das ist so ein Tag, an dem wir auch (mal wieder) die 200 geschafft hätten. Alf erwartet uns am Parkplatz. Bus und Anhänger werden abgestellt und gesichert und dann geht es zum Fährhafen. Die erste Kontrolle. Wir bekommen unsere Bordkarten. Dann die Kontrolle der (Reise)pässe. Petra hat ihren (Ersatz)reisepass erst eine Woche vor unserer Tour bekommen. Ja, mit dem Perso geht nicht viel. Nicht in der EU und Kronbesitz. Auch Juan hat gestern Abend ein wenig gezittert und mich verunsichert. Juan kommt aus Mexiko. Braucht er ein Visum (das er nicht hat)? Wir versuchten es herauszufinden. Gar nicht so einfach. Aber dann: es gibt eine Liste von Staaten, die für Großbritannien ein Visum benötigen. Mexiko gehört nicht dazu. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die Kanalinseln haben eine Regelung, dass sie sich in dieser Frage Großbritannien anschließen. Unsere Recherche vom Vorabend entpuppt sich als real. Juan hat keine Probleme (denn er hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für Deutschland) um auf die Fähre – und die Insel – zu kommen. Wir schieben (!) unsere Räder an Bord. Wieder mal so eine „unsinnige“ Regel. Ein schmaler Fußsteg, wo wir mit Taschen und Lenkerhörnchen hängen bleiben – während links von uns die breite Fahrrampe für die Autos ist (die aber erst einfahren dürfen, nachdem wir an Bord sind. Auch gut. Auf den Sesseln in der ersten Reihe schippern wir gemütlich – bei leicht welliger See Richtung Guernsey. Alles könnte so friedlich sein, wenn nicht neben uns eine Männergruppe mit jeder Seemeile – dank es eifrig fließenden Alkohols – lauter werden würde. Wir sind da. Raus mit den Rädern aus dem Schiffsbau. Die ersten Eindrücke sind eher derb. Die Anweisungen im Fährhafen haben so überhaupt nichts von der Lieblichkeit des Golfstromes. Das sollte sich aber ändern. Auch Juan kommt nach einigen Erklärungen (problemlos) durch die Passkontrolle. Wir müssen noch einen Hügel rauf. Willi und Wolfgang schlafen außerhalb (also im Nachbarhotel). Jetzt ein Stadtbummel. Carmen und ich gönnen uns einen (also zwei) Crepes – und den noch mit Nutella; das letzte Mal muss Jahrzehnte her sein. Währenddessen laufen im Hotel zwei Waschmaschinen (self service). Total nett war die Einführung des örtlichen Mitarbeiters. Morgen können wir mit frischen Klamotten an den Start gehen. Aber heute Abend genießen wir erst einmal das Abendessen – direkt am Hafen. (Und nicht vergessen: unsere Uhren auf den Inseln sind immer eine Stunde vor denen in Deutschland).

Tagesdaten: 46Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 2.23 Stunden, Durchschnitt 19,0km, Maximale Geschwindigkeit 45,6km, 182 Höhenmeter, höchster Punkt: 86 Meter, Maximale Steigung 15%

 

 

 

 

 

 

2. Juni 2023
von Thomas Will
Kommentare deaktiviert für Wir sind am Kanal

Wir sind am Kanal

9. Tag – Bagnoles – Saint Georges des Grehaigne

6.10 Uhr – der Blick aus dem Fenster zeigt ein völlig ungewohntes Bild: Hochnebel. Noch ist es empfindlich kalt. Beim Frühstück ist die Stimmung ein wenig gedrückt. Kein Wunder: in unserer Gruppe fehlt Rudi. Stephan, Frank und Alf verpacken sein Fahrrad – eine Woche zu früh – und so verschiebt sich unsere Abfahrt um eine halbe Stunde. Zeit genug um noch ein wenig wärmere Kleidung anzuziehen. Dann starten wir. Schon nach zwei Kilometern müssen wir anhalten. Ein Baum wird gefällt. Wo friert man mehr? An den Händen oder an den Füßen. Egal. Es geht weiter. Mit jeder Stunde steigt auch das Thermometer, bis gegen 11 Uhr die Sonne durchbricht. Kiki nutzte den Vormittag um Rudi zu besuchen. Seine Operation ist auf Samstag verschoben. Jetzt hat er wenigstens seine Satteltaschen in der Klink. Er schickt uns einen Bildergruß aus dem Krankenbett. Bei jedem Kilometer auf dem Bahndamm und jeder Schrankenumfahrung sind unsere Gedanken bei ihm. Die Mittagsrast erwähne ich erst überhaupt nicht: Pizza – was denn sonst – nach genau 60 Kilometern. Es geht weiter. Wiederholt sich Geschichte. Kurz nach dem Mittagessen stürzt Jupp; natürlich bei einer Schrankenumfahrung. Er fiel „weich“ in den Graben; Brennesseln können auch für was gut sein. Wir rollen weiter und erreichen den Kanal. Jetzt geht es weg von der Bahntrasse. Wir fliegen in Richtung des Mont St Michel. Und dabei verlieren wir uns. Der eine Joachim verdrückt sich in die Büsche – und so warten wir geschlagene 20 Minuten auf die Nachzügler. Ein Bild. Ein paar von uns fahren auf die „Insel“. Wir trinken einen Kaffee. Fast gemeinsam kommen wir am Hotel an. Schon bei der Buchung habe ich gemerkt, dass es hier ein wenig „umständlich“ ist. Aber gut. Jeder von uns bekommt sein Bett. Das Abendessen wird „durchgepeitscht“ – keine Stunde – und fertig. Vielleicht wird es ja morgen ruhiger.

 

Tagesdaten: 110Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 6.10 Stunden, Durchschnitt 17,9km, Maximale Geschwindigkeit 42,4km, 523 Höhenmeter, höchster Punkt: 274 Meter, Maximale Steigung 12%