3. Juni 2023
von Thomas Will
1 Kommentar

Die schnelle Fahrt nach St. Malo

10. Tag – Saint Georges des Grehaigne – St. Peter Port

5.50 Uhr – noch ein wenig früher als sonst machten wir uns aus den Federn (ist das eigentlich Urlaub?), denn die Fähre in Le Havre wird nicht auf uns warten. Das übliche Morgenprogramm. Taschen packen und ab zum Frühstück. 6.45 Uhr in der Normandie. Das letzte französische Frühstück – der übliche Stau am Kaffeeautomaten. Es ist nicht so kalt wie gestern und das Hotel (das ich gestern noch kritisiert habe) zeigt sich kulant. Rudis Zimmer wird anstandslos storniert. 7.35 Uhr. Mein Handy klingelt. Rudi ist dran. Er wartet auf den heutigen OP-Termin und ist guter Dinge. Ich berichte ihm, dass wir sein Handyladekabel gefunden haben und es ihm heute per Express in Krankenaus schicken. Er bedankt sich, teilt uns aber freudig mit, dass eine freundliche Krankenschwester ihm schon eines besorgt habe. Gut, dass wir gestern Abend nicht einer spontanen Idee gefolgt sind und die 140 Kilometer (mit dem Auto) zu ihm gefahren sind. Es wird 8 Uhr. Wir starten pünktlich. Mit jedem Kilometer werden wir schneller. Um 10 Uhr sind wir in St. Malo. Über 40 Kilometer. Das ist so ein Tag, an dem wir auch (mal wieder) die 200 geschafft hätten. Alf erwartet uns am Parkplatz. Bus und Anhänger werden abgestellt und gesichert und dann geht es zum Fährhafen. Die erste Kontrolle. Wir bekommen unsere Bordkarten. Dann die Kontrolle der (Reise)pässe. Petra hat ihren (Ersatz)reisepass erst eine Woche vor unserer Tour bekommen. Ja, mit dem Perso geht nicht viel. Nicht in der EU und Kronbesitz. Auch Juan hat gestern Abend ein wenig gezittert und mich verunsichert. Juan kommt aus Mexiko. Braucht er ein Visum (das er nicht hat)? Wir versuchten es herauszufinden. Gar nicht so einfach. Aber dann: es gibt eine Liste von Staaten, die für Großbritannien ein Visum benötigen. Mexiko gehört nicht dazu. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die Kanalinseln haben eine Regelung, dass sie sich in dieser Frage Großbritannien anschließen. Unsere Recherche vom Vorabend entpuppt sich als real. Juan hat keine Probleme (denn er hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für Deutschland) um auf die Fähre – und die Insel – zu kommen. Wir schieben (!) unsere Räder an Bord. Wieder mal so eine „unsinnige“ Regel. Ein schmaler Fußsteg, wo wir mit Taschen und Lenkerhörnchen hängen bleiben – während links von uns die breite Fahrrampe für die Autos ist (die aber erst einfahren dürfen, nachdem wir an Bord sind. Auch gut. Auf den Sesseln in der ersten Reihe schippern wir gemütlich – bei leicht welliger See Richtung Guernsey. Alles könnte so friedlich sein, wenn nicht neben uns eine Männergruppe mit jeder Seemeile – dank es eifrig fließenden Alkohols – lauter werden würde. Wir sind da. Raus mit den Rädern aus dem Schiffsbau. Die ersten Eindrücke sind eher derb. Die Anweisungen im Fährhafen haben so überhaupt nichts von der Lieblichkeit des Golfstromes. Das sollte sich aber ändern. Auch Juan kommt nach einigen Erklärungen (problemlos) durch die Passkontrolle. Wir müssen noch einen Hügel rauf. Willi und Wolfgang schlafen außerhalb (also im Nachbarhotel). Jetzt ein Stadtbummel. Carmen und ich gönnen uns einen (also zwei) Crepes – und den noch mit Nutella; das letzte Mal muss Jahrzehnte her sein. Währenddessen laufen im Hotel zwei Waschmaschinen (self service). Total nett war die Einführung des örtlichen Mitarbeiters. Morgen können wir mit frischen Klamotten an den Start gehen. Aber heute Abend genießen wir erst einmal das Abendessen – direkt am Hafen. (Und nicht vergessen: unsere Uhren auf den Inseln sind immer eine Stunde vor denen in Deutschland).

Tagesdaten: 46Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 2.23 Stunden, Durchschnitt 19,0km, Maximale Geschwindigkeit 45,6km, 182 Höhenmeter, höchster Punkt: 86 Meter, Maximale Steigung 15%

 

 

 

 

 

 

2. Juni 2023
von Thomas Will
Kommentare deaktiviert für Wir sind am Kanal

Wir sind am Kanal

9. Tag – Bagnoles – Saint Georges des Grehaigne

6.10 Uhr – der Blick aus dem Fenster zeigt ein völlig ungewohntes Bild: Hochnebel. Noch ist es empfindlich kalt. Beim Frühstück ist die Stimmung ein wenig gedrückt. Kein Wunder: in unserer Gruppe fehlt Rudi. Stephan, Frank und Alf verpacken sein Fahrrad – eine Woche zu früh – und so verschiebt sich unsere Abfahrt um eine halbe Stunde. Zeit genug um noch ein wenig wärmere Kleidung anzuziehen. Dann starten wir. Schon nach zwei Kilometern müssen wir anhalten. Ein Baum wird gefällt. Wo friert man mehr? An den Händen oder an den Füßen. Egal. Es geht weiter. Mit jeder Stunde steigt auch das Thermometer, bis gegen 11 Uhr die Sonne durchbricht. Kiki nutzte den Vormittag um Rudi zu besuchen. Seine Operation ist auf Samstag verschoben. Jetzt hat er wenigstens seine Satteltaschen in der Klink. Er schickt uns einen Bildergruß aus dem Krankenbett. Bei jedem Kilometer auf dem Bahndamm und jeder Schrankenumfahrung sind unsere Gedanken bei ihm. Die Mittagsrast erwähne ich erst überhaupt nicht: Pizza – was denn sonst – nach genau 60 Kilometern. Es geht weiter. Wiederholt sich Geschichte. Kurz nach dem Mittagessen stürzt Jupp; natürlich bei einer Schrankenumfahrung. Er fiel „weich“ in den Graben; Brennesseln können auch für was gut sein. Wir rollen weiter und erreichen den Kanal. Jetzt geht es weg von der Bahntrasse. Wir fliegen in Richtung des Mont St Michel. Und dabei verlieren wir uns. Der eine Joachim verdrückt sich in die Büsche – und so warten wir geschlagene 20 Minuten auf die Nachzügler. Ein Bild. Ein paar von uns fahren auf die „Insel“. Wir trinken einen Kaffee. Fast gemeinsam kommen wir am Hotel an. Schon bei der Buchung habe ich gemerkt, dass es hier ein wenig „umständlich“ ist. Aber gut. Jeder von uns bekommt sein Bett. Das Abendessen wird „durchgepeitscht“ – keine Stunde – und fertig. Vielleicht wird es ja morgen ruhiger.

 

Tagesdaten: 110Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 6.10 Stunden, Durchschnitt 17,9km, Maximale Geschwindigkeit 42,4km, 523 Höhenmeter, höchster Punkt: 274 Meter, Maximale Steigung 12%

 

 

 

 

 

1. Juni 2023
von Thomas Will
2 Kommentare

Schrecksekunde am Nachmittag

8.Tag – Nogent-le-Rotrou – Bagnoles de Lorne

Wir haben den Abend im Buffalo Grill doch noch genießen können. Carmen und ich bekommen zwei Videoanrufe von zu Hause. Unser Enkel „bewirbt“ sich für die Euroradler. Zuerst einmal soll es mit einem „Nachläufer“ losgehen. Damit haben Carmen und ich ja Erfahrung – vor 25 Jahren ging es so bis nach Villach in Kärnten. Unsere Wäsche war am Morgen trocken und so konnten wir auf die Tagesetappe gehen. Sie sollte eine eindrückliche werden. Nach 12 Kilometern auf kleinen Nebenstraßen ging es auf eine ehemalige Bahntrasse. Über 100 Kilometer sollten wir dem ehemaligen Schienenstrang folgen. Befestigt – aber nicht glatt – hier und da mal ein kleiner Anstieg; mehr als 2 Prozent waren es aber nie – und so kamen wir gut voran. Eigentlich zu gut. Schon kurz vor 13 Uhr waren wir in Alencon. Unsere „Wahlpizzeria“ war so gut besucht, dass es für uns keinen Platz mehr gab. „Take away“ war aber möglich. Und so ließen wir uns im Eingangsbereich nieder. Die Fensterbänke waren der Ersatz für die Tische und als man uns die Pizzaschachteln brachte, waren sogar Messer und Gabeln dabei. Noch schnell einen Espresso und weiter. Zurück zur Bahntrasse. Zeit um die Gedanken schweifen zu lassen. Aus der Heimat höre ich, dass die Sportwettbewerbe der Schulen in diesem Sommer dem Rotstift zum Opfer fallen sollen. „Freiwillige Leistung, vorläufige Haushaltsführung, Kommunalaufsicht“ – ich ärgere mich kurz – dann ist klar: es muss eine Lösung geben: und sie gibt es. Wie kann es sein, dass die Schülerinnen und Schüler in unserem Kreis schlechtere Bedingungen haben sollen, nur weil sie in Kommunen leben, die weniger Einnahmen haben. Mit jedem Tritt in die Pedale wird mir klarer: dagegen muss man etwas tun. Dann plötzlich ein Aufschrei hinter mir. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich realisiere was passiert ist. An dem vielleicht dreißigsten Absperrpfosten auf der Strecke ist Rudi mit seinem linken Lenkerhörnchen hängen geblieben. Sturz. Irgendwie geht es nicht weiter. Nach wenigen Minuten ist es uns klar. Wir rufen die Sanitäter. Keine zwanzig Minuten später sind sie da. Sie nehmen ihn mit. Wir rufen Alf an. Er kommt um Rudis Fahrrad zu holen. Die letzten vierzig Kilometer ins Hotel machen irgendwie keinen Spaß. Um 18 Uhr sind wir dort. Duschen, umpacken und warten. Dann ruft Rudi an. Er muss im Krankenhaus bleiben, wird morgen früh operiert. Seine Satteltaschen bringen wir ihm noch vorbei. Wir bleiben in Kontakt. Bei Abendessen auf der Terrasse unseres Hotels haben wir nur ein Thema. Irgendwie fühlt es sich nicht gut an, morgen nur mit 17 RadlerInen auf Tour zu gehen.

Tagesdaten: 126 Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 7.12 Stunden, Durchschnitt 17,6km, Maximale Geschwindigkeit 44,4km, 678 Höhenmeter, höchster Punkt: 302 Meter, Maximale Steigung 8%