8. Juni 2025
von Thomas Will
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Es kam alles ganz anders

Tag 11 – Von Braemar nach Pitlochry

59 Kilometer, weniger als 500 Höhenmeter: was kann da schon schiefgehen? Also verlegten wir den Start an unserer Jugendherberge einfach auf 9 Uhr und auch das „schmale“ Frühstück störte uns wenig, schließlich gab es ja um die Mittagszeit Ofenkartoffeln mit Krabben. Eigentlich.  Die ersten zehn Kilometer verliefen auch gänzlich nach Plan. Wir frotzelten schon ein wenig, dass der check in im Hotel erst ab 15 Uhr möglich sei. Wenn wir da nur schon gewusst hätten, was noch kommen sollte. Nach 15 Kilometern wurde der Weg ein wenig anspruchsvoller, aber immer noch kein Grund sich Gedanken zu machen. Auch die erste Bachüberquerung nahmen wir sportlich. Schuhe und Socken aus und rein ins kalte schottische Bergwasser. Füße trocknen, Socken und Schuhe an und weiter. Nach der dritten Aktion dieser Art ging unser Spaßfaktor schon drastisch zurück. Der Weg wurde nun immer enger uns steiler. Die kommenden Stunden brachten mehr neben dem Fahrrad als auf dem Sattel zu. Steine, Geröll, Matsch, kleine Rinnsale – ein Höchstmaß an Kraft und Kondition war nötig und es gab hier etwas ganz Besonderes: gelebte Solidarität. Gerade als es „hier und da“ fast nicht mehr ging. Mancher Radler (oder Radlerin) weder auf dem Sattel, noch neben dem Fahrrad – sondern unter ihm – zu finden war, zeigte sich dies. Über vier Stunden dauerte die Passage. Das Mittagessen nahm einen ganz anderen Verlauf: Riegel statt Ofenkartoffeln und die für 17 Uhr geplante Besichtigung der Blair Athol Distillery konnten wir uns nur in unseren Gedanken vorstellen. Was verwunderte – auf dem schmalen Bergpfad kamen uns Radlerinnen entgegen – jedoch nicht mit schweren Reiserädern, sondern mit leichten Gravelbikes. So macht eine solche Tour vielleicht ja noch Spaß. Um es kurz zu machen: wir waren gegen 18 Uhr im Hotel. Es dauerte zwar ein wenig, bis wir alle unsere Zimmer hatten, aber irgendwie waren wir doch alle froh, dass wir es geschafft hatten. Und ja, den Whisky aus der Blair Athol Distillery gibt es heute Abend an der Hotelbar.

Tourdaten: 62km, 5.58 Stunden im Sattel, 10,2km Durchschnitt, 48km maximal, 467 Höhenmeter, Höchster Punkt 498 Meter

 

 

7. Juni 2025
von Thomas Will
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Jetzt hat es uns auch erwischt

Tag 10 – Von Edzell nach Braemar

Es hätte so ein schöner Tag werden können. Klar, die Temperaturen sind ein wenig niedriger als in der Mainspitze, aber um 8.30 Uhr war noch alles gut. Knapp 10°C, leichter Wind und viel Gewölk, aber nicht außergewöhnlich. Die ersten 13 Kilometer rollten gut, dann an der Clattering Bridge leicht links und das wirkte dann schon bedrohlich (noch nicht das Wetter). Die erste Rampe der alten Militärstraße hatte 16 Prozent. Zuviel für den ein oder anderen Radler aus unser Gruppe. Ein paar Meter schieben (es war mehr ein drücken) und dann ging es wieder. Die Trikots wurden nass, (immer noch nicht durch das Wetter) und so gegen 10.15 Uhr hatten wir es geschafft: 314 Höhenmeter auf 3,5 Kilometer. Die erste Abfahrt konnten wir noch genießen und dann passierte es. Zum ersten Mal auf unserer Tour: richtiger Regen. Wir konnten uns fast überhaupt nicht mehr erinnern. Vor vier Jahren auf dem Weg nach Malta und vor zwei Jahren auf dem Weg zu den Kanalinseln: kein einziger Tropfen. Regenkleidung war unnötiger Ballast. Jetzt also mussten wir sie anziehen. Der erste Schauer war noch überschaubar – wir kamen leidlich trocken zum Mittagessen nach Aboybe. Eine eigene kleine Speisekarte für unsere Gruppe – drei Suppen zur Auswahl und auch beim Sandwich konnten wir wählen. Trotzdem ging es sehr schnell und schon vor ½ 2 saßen wir wieder auf dem Rad. Carmen und ich „schenkten“ uns die Gärten von Balmoral und fuhren „gemütlich“ in Richtung Westen. Unsere Gruppe machte den Abstecher – aber Gärten im Regen bewundern: es mag schönere Erlebnisse geben. Zumindest war die das Ergebnis, als wir vier Stunden später im Duschraum unserer Jugendherberge standen und die Erlebnisse austauschten. 46 Kilometer im Regen fahren, mal sprengelte er uns nur leicht, aber auf der größeren Distanz schüttete es richtig. Auch der Autoverkehr auf der B 976 nervte – wobei man nicht ungerecht sein darf: viele Autofahrer nahmen Rücksicht, aber ein paar „Rüpel“ gibt es auch in Schottland. Man muss schon ein wenig (oder mehr) verrückt sein, wenn man solche Regenfahren auch noch als inspirierend wahrnimmt. Bei Carmen scheint das zumindest so zu sein. Trotzdem waren wir froh kurz vor 17 Uhr in Braemar gelandet zu sein. Unsere Jugendherberge empfing uns sehr freundlich. Mehrbettzimmer (außer natürlich für Paare), für jeden von uns ein Handtuch und klare Regeln, dass man im Haus keine Schuhe zu tragen habe. Der Wäscheservice fiel aus – es war nicht klar, ob wir bis Sonntag unsere Klamotten trocken bekommen. Einen Trost aber haben wir: am Sonntag soll die Sonne wieder scheinen.

Tourdaten: 94km, 6.34 Stunden im Sattel, 14.5km Durchschnitt, 59,1km maximal, 1.027 Höhenmeter, Höchster Punkt 446 Meter

 

6. Juni 2025
von Thomas Will
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Manche Tage beginnen bereits einen Tag (oder eine Nacht) zuvor

Tag 9 – Von Anstruther nach Edzell

Bei manchen Geschichten muss man schon am Abend zuvor beginnen. Wie bei (fast) allen Hotels hatten wir auch in Anstruther das Abendmenü vorbestellt. Auf dem Tisch standen jedoch die Speisekarten. Kurzer Hinweis, die alten Menükarten seien nicht mehr gültig – na ja, so kam jeder von uns zu seinem Wunschabendessen. Wir „durften“ auch gleich das Frühstück auswählen; damit es am nächsten Tag schneller gehen sollte. Na ja, die Hoffnung kann man ja haben. Die Nacht war kurz, ab ½ 5 Uhr Schritte über uns. Gibt es Radler mit Schlafstörungen. Einmal wach nimmt man natürlich jedes Geräusch (auf dem Handy) wahr. Zuerst nur „pieps“ – dann um 7 Uhr der erste Anruf. Nein, nicht meine Kinder – Franz Urhahn, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, gratulierte herzlich. Er hatte gleich danach einen (vielleicht?) nicht ganz so angenehmen Termin. Wir packten unsere Taschen, machten uns drei Minuten vor 8 Uhr auf zum Frühstück und mussten warten bis es genau 8 Uhr war – dann öffnete die Tür. Trotz Vorbestellung – Irritationen.  Die Radler hatten eine Glückwunschbanderole aufgehängt. Eine schöne Geste. Aber das Frühstück „zooooog“ sich.  Der Toast dauerte, manche Eier kamen „doppelt“ – (ich gebe es zu, ich war „genervt“), aber um 9.15 Uhr saßen wir auf den Rädern. Der erste Anstieg. Das Telefon klingelte – der frühere Bürgermeister aus Kelsterbach war dran – ich bedankte mich keuchend und weiter ging es. Das Wetter war phantastisch – Sonne, Wind, ein paar Wolken und so waren wir schnell in Dundee. Über die Tay Road Bridge ging es auf die andere Seite der Bucht. Und wie kommt man von der Brücke herunter? Mit einem Aufzug (für zwei Fahrräder – mit Gepäck) – wegweisend. Weiter nach Osten. Irgendwie ging alles schneller als geplant. Der Rückenwind, der Belag der Radwege – vorbei an vielen Golfplätzen – wir machten Kilometer. „All you can eat“ im Bellrock in Arbroath – so kann eine (wenn auch späte) Mittagspause ruhig noch einmal sein. Jetzt noch 34 Kilometer. Zu den weißen Wolken mischten sich jetzt auch ein paar dunkle. Es sah bedrohlich aus. Vor uns und nach und regnete es. Bis auf ein paar Spritzer vor Edzell bekamen wir „nichts ab“. Die Landkarte zeigte auf den letzten Kilometern vor Edzell ein Waldgebiet. Aber das gab es nicht mehr. Ich hatte es als Regenschutz auf dem Radar. Aber der Regen kam ncht. Spitze. Kurv vor 5 Uhr waren wir da. Fahrräder in einem Sitzungsraum, Wäscheservice und „klar klappt das mit dem Abendessen“ – so kann es auch sein. Und wir haben darauf geachtet, dass wir heute Nacht kein Zimmer mehr über uns haben.

Tourdaten: 99km, 6.09 Stunden im Sattel, 16,3km Durchschnitt, 49,4km maximal, 732Höhenmeter, Höchster Punkt 112 Meter