1. Juni 2023
von Thomas Will
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Schrecksekunde am Nachmittag

8.Tag – Nogent-le-Rotrou – Bagnoles de Lorne

Wir haben den Abend im Buffalo Grill doch noch genießen können. Carmen und ich bekommen zwei Videoanrufe von zu Hause. Unser Enkel „bewirbt“ sich für die Euroradler. Zuerst einmal soll es mit einem „Nachläufer“ losgehen. Damit haben Carmen und ich ja Erfahrung – vor 25 Jahren ging es so bis nach Villach in Kärnten. Unsere Wäsche war am Morgen trocken und so konnten wir auf die Tagesetappe gehen. Sie sollte eine eindrückliche werden. Nach 12 Kilometern auf kleinen Nebenstraßen ging es auf eine ehemalige Bahntrasse. Über 100 Kilometer sollten wir dem ehemaligen Schienenstrang folgen. Befestigt – aber nicht glatt – hier und da mal ein kleiner Anstieg; mehr als 2 Prozent waren es aber nie – und so kamen wir gut voran. Eigentlich zu gut. Schon kurz vor 13 Uhr waren wir in Alencon. Unsere „Wahlpizzeria“ war so gut besucht, dass es für uns keinen Platz mehr gab. „Take away“ war aber möglich. Und so ließen wir uns im Eingangsbereich nieder. Die Fensterbänke waren der Ersatz für die Tische und als man uns die Pizzaschachteln brachte, waren sogar Messer und Gabeln dabei. Noch schnell einen Espresso und weiter. Zurück zur Bahntrasse. Zeit um die Gedanken schweifen zu lassen. Aus der Heimat höre ich, dass die Sportwettbewerbe der Schulen in diesem Sommer dem Rotstift zum Opfer fallen sollen. „Freiwillige Leistung, vorläufige Haushaltsführung, Kommunalaufsicht“ – ich ärgere mich kurz – dann ist klar: es muss eine Lösung geben: und sie gibt es. Wie kann es sein, dass die Schülerinnen und Schüler in unserem Kreis schlechtere Bedingungen haben sollen, nur weil sie in Kommunen leben, die weniger Einnahmen haben. Mit jedem Tritt in die Pedale wird mir klarer: dagegen muss man etwas tun. Dann plötzlich ein Aufschrei hinter mir. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich realisiere was passiert ist. An dem vielleicht dreißigsten Absperrpfosten auf der Strecke ist Rudi mit seinem linken Lenkerhörnchen hängen geblieben. Sturz. Irgendwie geht es nicht weiter. Nach wenigen Minuten ist es uns klar. Wir rufen die Sanitäter. Keine zwanzig Minuten später sind sie da. Sie nehmen ihn mit. Wir rufen Alf an. Er kommt um Rudis Fahrrad zu holen. Die letzten vierzig Kilometer ins Hotel machen irgendwie keinen Spaß. Um 18 Uhr sind wir dort. Duschen, umpacken und warten. Dann ruft Rudi an. Er muss im Krankenhaus bleiben, wird morgen früh operiert. Seine Satteltaschen bringen wir ihm noch vorbei. Wir bleiben in Kontakt. Bei Abendessen auf der Terrasse unseres Hotels haben wir nur ein Thema. Irgendwie fühlt es sich nicht gut an, morgen nur mit 17 RadlerInen auf Tour zu gehen.

Tagesdaten: 126 Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 7.12 Stunden, Durchschnitt 17,6km, Maximale Geschwindigkeit 44,4km, 678 Höhenmeter, höchster Punkt: 302 Meter, Maximale Steigung 8%

 

 

 

 

31. Mai 2023
von Thomas Will
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Mit dem Wind nach Westen

7. Tag – Epernon – Nogent-le-Rotrou

Wir kommen vom Abendessen und holen unsere Wäsche aus dem kleinen Wasch- und Trockenraum im Hotel. Für 15€ bekommen wir alle unsere Trikots, Hosen, Socken (und was man sonst noch beim Radfahren am Körper hat) gewaschen. Für den Trocknungsprozess bedienen wir uns mangels eines Hoteltrockners den Föhnen in unseren Badezimmern – und es klappt bestens. So sind wir heute wieder an unserem optischen Erscheinungsbild zu erkennen und nicht am Geruch. Vor uns liegen knapp 100 Kilometer französische Wellpappe. Nach gut einem Viertel der Strecke kommen wir nach Chartres. Wir haben genügend Zeit uns die (über)mächtige Kathedrale anzusehen. Natürlich bringt die Anfahrt ein paar Höhenmeter zusätzlich. Weiter geht es. Heute sogar vollkommen sturzfrei. Der Rückenwind tut heute ganze Arbeit. Schon um 12.15 Uhr sind wir in Illers-Combray. Klar: es gibt Pizza. Kiki hat vorbestellt und mit unserer Ankunft wandern die Rohlinge in den Ofen. Wir sitzen noch nicht richtig, da stehen sie schon vor uns. Wie immer: 12 (Pizzen – davon 4 vegetarisch) für 18 RadlerInnen. Eine kleine Gruppe kulturbeflissener Radler macht noch einen Abstecher zur benachbarten Kirche und als sie fünf Minuten später kommen, sieht es so aus, als hätten sie den (Essens)anschluss verpasst. Aber wir sind solidarisch. Auch beim Mittagessen. Wasser auffüllen und weiter geht es. Die Landschaft wird ein wenig welliger, aber dafür auch wieder stärker bewaldet. Der Schatten tut gut. Seit einer Woche können wir die Regenkleidung in den Satteltaschen lassen. Gut so (für uns). Noch ein letzter Anstieg, dann eine Abfahrt und um 15.20 Uhr sind wir nach 97 Kilometern in Nogent-le-Rotrou. Jetzt kommt der Genussteil: mitten auf dem Marktplatz ein kleines Eckcafe. Wir lassen uns nieder. Kleine Törtchen, ein oder zwei „Longcoffee“ und Softeis (anderes gab es nicht), bis die Eismaschine ihren Geist aufgibt und nur noch „Erdbeer“ ausspuckt. Jetzt aber zum Hotel. Klar wäscht man uns auch hier gerne die Trikots. Unsere sportliche Leistung wird honoriert. Ich nutze die beiden Stunden und „baue mein Büro auf“. Mails beantworten – Schulsport – Schülerlenkung – Haushalt – Terminzusagen – auch 800 Kilometer von zu Hause ist man nie richtig weg. Aber so ist das, wenn zwei Hobbys miteinander konkurrieren. Jetzt noch schnell diese Zeilen. Wir essen heute „auswärtig“ – im Buffalo Grill – gleich neben dem Hotel am Stadtrand. Am Anfang geht es ganau so schnell wie am Mittag. Wir sitzen noch nicht richtig und da kommt auch schon ein kleiner Salat. Getranke? Mit der englischen Sprache komme ich nicht weiter. Uwe hilft. Wir bestellen. Und lernen: nicht immer ist bestellt und geliefert kompartibel. Mal sehen, was der Abend noch bringt.

Tagesdaten: 97 Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 5.06 Stunden, Durchschnitt 18,5km, Maximale Geschwindigkeit 51,4km, 602 Höhenmeter, höchster Punkt: 292 Meter, Maximale Steigung 10%

 

 

 

30. Mai 2023
von Thomas Will
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Jetzt wieder einen Gang zurückschalten

6. Tag – Paris – Epernon

Es mag ja schon ein wenig an Wahnsinn grenzen mit dem Fahrrad nach Paris zu fahren. Aber dann noch eine 16 Kilometer lange Stadtrundfahrt (natürlich mit dem Fahrrad) dran zu hängen, dafür muss man schon ganz schön verrückt sein. Gestern beim Abendessen mussten wir die Geschichte der Euroradler wieder einmal erzählen. Der Bildschirm meines Notebooks wurde als Erinnerung fotografiert und heute in der französischen Hauptstadt kamen wir um die eine oder Antwort nicht herum – gut, wenn es in der Gruppe Menschen gibt, die sich auch in der Landesprache verständigen können. Vom Hotel aus ging es noch mal zum Art de Triomphe und dann ganz lang auf der Champs Elysees, vorbei an Notre Dame bis hin zum Eiffeltum. So – und jetzt noch nach Versailles. Davor lag der erste zwölf Prozenter. Von außen betrachtet ist das Schloss „einfach nur groß“ – für die Innenräume hatten wir (natürlich) keine Zeit. Das kleine italienische Lokal, für das wir uns entschieden hatten, wollte von unserer Bestellung: 12 Pizzen für 18 Radler nichts wissen und so machten wir uns einen Ort weiter. Wir wollten schon aufgeben, dann auf der linken Seite: „All you can eat“. Sollen wir? Na klar. Alf, der heute einen ganzen „Bustag“ hatte kam dazu und wir ließen es uns schmecken. Ja und dann kamen wieder die Fragen nach unserer Gruppe. Die nette Bedienung kam aus Tibet und fand unsere Tour ganz schön beeindruckend. (Tibet stand bisher noch nicht auf der Liste unserer Ziele). Jetzt verlassen wir den Pariser Speckgürtel. Stephan verlässt seine Kette. Sie verdreht sich so, dass es fast eine halbe Stunde dauert bis Frank und Uwe das mit ihm wieder hinbekommen. Noch ein paar kleine Steigungen. Jupp legt sich an einem sandigen Anstieg noch mal hin – er führt jetzt in der Rangliste – nur nimmt er dabei auch Carmen mit, die das aber eher mit Humor nimmt. Kurz nach 18 Uhr sind wir in Epernon. Unsere Räder dürfen in einen schönen Konferenzraum und unsere Trikots werden gewaschen – nur aufhängen sollen wir sie selbst – nach dem Abendessen.

Tagesdaten: 92 Kilometer gefahren, Zeit auf dem Sattel: 6.12 Stunden, Durchschnitt 15,1km, Maximale Geschwindigkeit 61,9km, 714 Höhenmeter, höchster Punkt: 202 Meter, Maximale Steigung 12%