6. Juni 2017
von Thomas Will
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Kartensalat am Nationalfeiertag

22. Tag, Dienstag, 6. Juni 2017 – Paskallavik – Kalmar

Der Frühstückstisch war reich gedeckt. Es fehlte an nichts. Liebevoll die Brötchen und das Brot arrangiert und darüber – quasi im ersten Stock – eine Platte mit Käse, Wurst, Gurken – aber auch Marmelade. Der Höhepunkt: frische Erdbeeren. Dazu ein Himmel, an dem keine einzige Wolke zu sehen war – nur strahlendes „blau“ und eine Tagesetappe von lediglich knapp 80 Kilometern – was sollte das noch schief gehen. Wenn man sich zu früh freut: im Zeitalter in dem Kreditkarten wichtiger sind als Landkarten (man hat ja ein Fahrradnavi) merkt man, wie abhängig man von diesem kleinen Plastikkärtchen ist, wenn sie einmal nicht funktionieren. Wenn dann auch noch die Ersatzkarte ausfällt, weil man vergessen hat den Verfügungsrahmen zu erhöhen, dann ist guter Rat teuer. Außer man einen Radler dabei, der „einem den Weg frei macht“, damit das Hotel in Paskallavik auch ordnungsgemäß bezahlt werden kann. Wenn man nun weiß, wie eng das Zeitbudget zwischen Frühstück und Abfahrt bei den Euroradlern gestrickt ist, dann braucht es nicht viel Phantasie um zu erahnen, dass der „Kartensalat“ für eine leicht verzögerte Abfahrt sorgte. Damit aber nicht genug. Nach 1,8 Kilometern kam schon der erste Wunsch nach einen „Stop“. Eigentlich zu früh. Aber der Grund rechtfertigte es. Carmen hatte bei dem Chaos ihre Uhr im Hotel vergessen. Während ich die Zeit für ein erstes Telefonat mit dem Büro nutzte, fuhr Tim zurück und besorgte das Zeitmessegerät, das friedlich auf dem Nachttisch lag.

Jetzt aber los. Über Mönsteras und Karemo bis nach Rockneby auf schönen südschwedischen Nebenstraßen. Immer leicht wellig, immer mit ein wenig Gegenwind – aber landschaftlich ein Genuss. Die passende Strecke für den Nationalfeiertag der Schweden. (Krönungstag von Gustav Vasa – und zwar deswegen, weil „der“ die Schweden von den Dänen „befreite“).

Klaus, der beim Abendessen am Vorabend noch Bedenken wegen seiner Felge hatte wurde mit jedem Kilometer optimistischer, denn die Felge hielt alle Belastungen aus. Zu Mittag dann mal wieder Pizza und pünktlich zum Kaffee liefen wir in Kalmar ein. Immer noch bestes Wetter und Zeit für einen Stadtbummel, für ein Eis, einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Und für mich ganz persönlich: ein Blick in mein Mailfach und die (nicht immer) sozialen Netzwerke um zu sehen, wer am D-day an mich gedacht hatte.

74,4 Kilometer, 318 Höhenmeter, 3.58 Stunden auf dem Rad, 18,73 km im Durchschnitt, 36,5 km Höchstgeschwindigkeit, Höchster Punkt: 38 Meter, 1.800 verbrauchte Kalorien

5. Juni 2017
von Thomas Will
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Nach Gegenwind Sonne zum Abschied

21. Tag, Montag,  5. Juni 2017 – Romakloster/Dalhem – Paskallavik

Wenn sich das Wetter nicht dem Wolkenradar anpasst, beginnt der Tag erst einmal mit einer kleinen Enttäuschung. Wolkenverhangen präsentierte sich Dalhem zum Abschied und wir packten unsere Taschen ein letztes Mal auf der Insel. Beim Frühstück war es ein wenig ruhiger als sonst. Ob dies der Abschiedsblues war, oder einfach die Anspannung lässt sich mit dem Abstand der letzten Stunden nicht mehr sagen. Klaus und Dietrich waren heute Morgen erst einmal raus. Klaus wollte seine Felge schonen und Dietrich sich selbst. Beide machten sich auf den direkten Weg nach Visby, während wir noch einen kleinen Abstecher in den Süden der Insel machten und einen wirklich tollen Blick genießen konnten. Gedacht hätten wir dies beim Start nicht.

Neben den Wolken machte uns der Gegenwind zu schaffen. Stephan „opferte“ sich als Windbreaker und als Alf nach einer Stunde Fahrt bemerkt hatte, dass bei ihm noch die Bierrechnung offen war, riss die Wolkendecke auf. Ein Telefonanruf in Dahlem und Klaus (oder Dietrich) lösten ihn aus. Dietrich hatte zu allem Überfluss den x-ten Platten, aber irgendwie schafften wir es alle gemeinsam pünktlich um 12 Uhr in Visby einzutreffen. Willi hatte bereits vor zwei Tagen ein Bäckereicafe am Stadtrand ausfindig gemacht, wo wir sicher unsere Räder abstellen konnten.

Nach einem kleinen Imbiss ging es auf Stadterkundung. Toll, das mittelalterliche Flair der alten Hansestadt mit der 3,5 Kilometer langen Stadtmauer.e  Kleine Andenken, vom Gotlandschaf bis zum Küchentuch oder Proviant für die Fährüberfahrt – wir nutzten die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre ganz individuell – und sei es um die letzten Postkarten zu schreiben. Mal sehen, wer zuerst wieder in Bischofsheim ist. Wir kamen pünktlich zur Fähre und beinahe wären wir zurück nach Stockholm gefahren. Willi erkannte, dass wir uns in der falschen Reihe angestellt hatten. Wir orientierten uns um und dann der nächste Schreck. Alf durfte nicht mit. Er kam nicht mit uns an uns stand nicht auf der Passagierliste. Ein paar freundliche Worte und eine Visakarte und alles war kein Problem mehr. Drei Stunden Fähre bei bestem Wetter und wir waren wieder auf dem Festland. Binnen zehn Minuten hatten wir die Fähre verlassen und machten uns auf die letzten 12 Kilometer. Ein wenig Wellpappe und wir waren da. Direkt an der Küste. Ein Gasthaus mit einer ganz persönlichen Note. Ein wenig ist es wie Eintauchen in eine längst vergangene Zeit.

Wir bekommen „dreierlei Hering“, danach Hirsch mit Kartoffeln und einer vortrefflichen Sauce. Und: zwei Gänge kommen noch. Und (2): am Dienstag ist in Schweden Nationalfeiertag. Frühstück frühestens ab 7.45 Uhr – Abfahrt um 9 Uhr – was tun wir nur bis dahin?

51,5 Kilometer, 192 Höhenmeter, 2.50 Stunden auf dem Rad, 18.16 km im Durchschnitt, 32,2 km Höchstgeschwindigkeit, Höchster Punkt: 71 Meter, 1.662 verbrauchte Kalorien

 

4. Juni 2017
von Thomas Will
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Ein gechillter Tag

20. Tag, Sonntag, 4. Juni 2017 – Romakloster/Dalhem – Romakloster/Dalhem

Willi wollte zur historischen Eisenbahn, Petra zur Küste und zurück, Dietrich eigentlich nicht auf das Fahrrad und Alf nicht schon wieder „nur“ Landschaft. Und so begann dieser sonnige Sonntag auf Gotland mit einer doppelten Koordinationsübung: „wer macht was mit wem“ und „wie oft muss ich zum Frühstücksbuffet bis ich satt bin“. Um es vorweg zu nehmen, die Euroradler bewältigten beide Aufgaben mit Bravour. Willi nahm sich Alf und Dietrich an (alle drei radelten die vier Kilometer bis zum Bahnhof, genossen die Zugfahrt und vielleicht noch mehr das Mittagessen) und Petra blieb bei der Radlergruppe (und machte sich nicht auf den individuellen Weg zurück). Klaus musste sein felgenbeschädigtes Rad in der Garage lassen (um es zu schonen) und bestieg stattdessen ein E-Bike. Nun ist Klaus weder „80“ (noch sieht er so aus), so dass ein E-Bike für einen Euroradler eigentlich tabu ist. Aber: er versprach ohne Hilfsmittel zu fahren (Nebeneffekt: stärkerer Kalorienverbrauch). Wir kamen nach 20 Kilometer (Jürgen voran) nach Kräklingbo und wollten eigentlich weiter zur Küste rollen. Dann rechts ein Schild „Torsburgen“. Laut Reiseführer hätte es zu diesem Aussichtspunkt von Süden her gehen sollen. Was soll`s – wir fuhren ihn von Norden aus an und sparten uns so 15 Kilometer.

Aus den Euroradlern wurden kurz die Eurowanderer, auch wenn nicht jeder von uns den Aussichtsturm bis ganz nach oben schaffte. (Man musste schon schwindelfrei sein – und mindestens 1,75 Meter groß, sonst konnte man nicht über die Balustrade blicken). Mittagszeit – wir waren in Ljugarn und steuerten das Strandcafe an. Tolle Lage an der Ostsee, Blick über das Meer – und eine Suppe auf der Veranda. Zeit zum Aufbruch (eigentlich hätten wir sitzen bleiben können). Mit schnellem Tempo (wir hatten Rückenwind) ging es zuerst westlich und dann nördlich bis nach Roma. Kaffeepause. Was für eine Freude in den kleinen Cafeshop. Wir sorgten für ausverkaufte Kuchenplatten – der Erdbeerboden war noch teilweise gefroren (da sparte man sich das Eis) und nutzten den Halt dazu um den kommenden Tag zu planen. Wir wollten mehr Zeit in Visby verbringen, aber gleichzeitig nicht ganz auf die Küstenstraße verzichten. Natürlich fanden wir den passenden Kompromiss (aber dazu morgen mehr).

Noch ein Blick auf Romakloster, die zerfallene Zisterzienserkloster, das heute als Theaterbühne dient, ein Abstecher in den Klostershop und zurück in unser Hotel. Wir wurden schon erwartet. Die Sauna war angeheizt und unsere Wäsche lag frisch gewaschen im Speiseraum.

Man kann es eigentlich nicht glauben: am morgigen Montag beginnt unsere letzte Radlerwoche und gleichzeitig müssen wir Abschied von Dalhem nehmen. Jetzt, wo vielleicht jeder Gotländer weiß, dass die Euroradler hier sind; denn Johann, der Koch des Hauses und selbst ein begeisterter Radfahrer, hat via Internet seine Landsleute aufgefordert vorsichtig (Auto) zu fahren und auf die Euroradler Rücksicht zu nehmen. Auch in diesem Sinne war dieser Sonntag ein (Zitat Carmen) gechillter Tag.

86,5 Kilometer, 253 Höhenmeter, 4.18 Stunden auf dem Rad, 20,10 km im Durchschnitt, 32,2 km Höchstgeschwindigkeit, Höchster Punkt: 72 Meter, 1.550 verbrauchte Kalorien